Reproduktion einer entomophilen Baumart in geringer Populationsdichte - Das Beispiel der Winterlinde (Tilia cordata Mill.) - : Dissertation, Universität Göttingen, Fakultät für Forstwissenschaften und Waldökologie
Blühbiologie hohen Anteil an Selbstbefruchtung durch Selbststerilitätsmechanismen abpuffern und so einem Anstieg der Homozygotie entgegenwirken. Während Inkompatibilitätsmechanismen Bestäubung der Eizellen mit Eigenpollen erschweren, setzt Inzuchtdepression durch die verminderte Viabilität aus Selbstbefruchtung entstandener Nachkommen Selektion gegen diese in Gang. In dem Beobachtungsjahr 1995 entwickelten sich bei drei eingehender untersuchten Winterlinden 3,4 % der Blüten zu vitalen Samen. Aufgrund der absolut hohen Anzahl von Blüten einer Lindenkrone ist aber davon auszugehen, daß damit sexuelle Reproduktion gesichert ist. Die große Anzahl der Blüten der gesamten, weitgehend synchron blühenden, Population bewirkt offenbar konkurrenzlose Attraktivität und die Konditionierung der Insekten auf die Tracht der Winterlinde. Der relativ geringe Samenansatz kann als Teil einer im Laufe der Evolution entwickelten Strategie für die Sicherung des Genflusses gesehen werden. In den Jahren 1996 - 1998 wurde in der Population Schwiegershausen hingegen kein oder nur ein spärlicher Samenansatz beobachtet. Beim Vergleich der Klimadaten dieser Jahre zeigte sich, daß ungünstige Witterungsverhältnisse entscheidenden Einfluß auf den Reproduktionserfolg der Winterlinde haben. Kühles und nasses Wetter reduziert die Abundanz und die Flugaktivität der Insekten und kann zu Pollenlimitation führen. Wichtig scheint auch eine ausreichend hohe Lufttemperatur während der Blühperiode der Winterlinde zu sein. Erst ab einer Tagesdurchschnittstemperatur von 20 °C ist das Pollenschlauchwachstum ausreichend schnell, damit Pollen durch den Griffel zu den Samenanlagen gelangen und Eizellen befruchten können. Die Bildung vitaler Samen könnte auch wegen niedriger Temperaturen im August und September negativ beeinflußt worden sein; niedrige Temperaturen lassen nur unvollständige Samenreife zu. Nicht nur zwischen den Jahren, sondern auch zwischen den einzelnen Populationsmitgliedern war der Reproduktionserfolg sehr unterschiedlich. Im Jahr 1995 variierte der Anteil an Hohlkörnern unter den Samen der Winterlinden von 0 % bis zum 90 % der keimfähigen Samen. Eine signifikante Korrelation des Hohlkornanteils mit der Bestandesdichte bzw. der Selbstbefruchtungsrate war nicht festzustellen. Auch konnten variierende Hohlkornanteile nicht immer durch unterschiedliche effektive Pollenwolken, die kleinstandörtlichen Verhältnisse oder die mit der im Alter der Winterlinde abnehmenden Fertilität der Eizellen erklärt werden. Als Ursache kommen auch individuell unterschiedliche Grade von Inzuchtdepression in der Elterngeneration in Betracht.