Detaillierte Ersterhebungen in einem steinschlaggeschädigten Wald im Diemtigtal : Diplomarbeit, Universität Bern, philosophisch-naturwissenschaftliche Fakultät
Die vorliegende Diplomarbeit ist im Rahmen des Forschungsprojektes ROCKFOR der Europäischen Union entstanden. In diesem interdisziplinären Projekt werden Methoden entwickelt, die der Charakterisierung der Schutzfunktion von Bergwäldern gegen Steinschlag dienen sollen. Das Geografische Institut der Universität Bern beteiligt sich mit drei Beiträgen, wobei einer davon die Ausgangslage für diese Arbeit bildet: In einer Zeitschnittuntersuchung sollen Intensivbeobachtungen in einem Waldhang mit hoher Steinschlagaktivität stattfinden, wofür eine detaillierte Ersterhebung des Baumbestandes und der Baumschäden Voraussetzung ist. Ziel dieser Arbeit ist einerseits die genaue Lokalisation jeder Einzelbaumes mittels Fotogrammetrie und Vermessungstechniken und die Charakterisierung des Bestandes anhand von geläufigen Baumkenngrössen. Andererseits und schwergewichtig sollen alle Baumschäden, also steinschlagbedingte wie solche anderer Ursache, im Bestand erhoben werden. Hierfür muss eine einfache, aber möglichst detaillierte Erhebungsmethodik entwickelt werden, so dass die gewonnenen Daten sowohl steinschlagrelevanten Analysen genügen, wie auch die eindeutige Identifikation der erhobenen Schäden zu einem späteren Zeitpunkt zulassen. Zur Archivierung und flexiblen Verarbeitung der Daten ist eine Datenbank aufzubauen, die an ein Geografisches Informationssystem angebunden werden kann. Das Untersuchungsgebiet liegt am Fuß der rund 400 m hohen Ostwand des Schwarzenbergs im Diemtigtal (BE) auf einer knapp 40° steilen, tiefgründigen Schutthalde, welche ein recht homogenes Relief aufweist und mit einem stark steinschlaggeschädigten Fichtenwald bestockt ist. Im Herbst 2001 erfolgen die Erhebungen. Jeder Schaden an Bäumen mit einem Stammdurchmesser größer 5 cm wird anhand verschiedener Parameter qualitativ beschrieben und seine Lage bzw. Größe ausgemessen. Um die Unsicherheiten bei der Ansprache von Steinschlagwunden zu reduzieren, gilt das Augenmerk auch nicht steinschlagbedingten Schäden. So entsteht ein Datensatz mit 221 Bäumen, rund 1.700 mehrheitlich überwallten Steinschlagwunden (im Mittel 11 pro Baum) und knapp 200 anders bedingten Schäden. Die entwickelte Erhebungsmethodik erweist sich als einfach und praktikabel. Trotzdem sind ein großer Zeitaufwand und gewisse Fehler bei der Schadenansprache unvermeidbar. Aufgrund der bekannten Baumstandorte können die Steinschlagschäden nicht nur statistisch, sondern auch räumlich analysiert werden. Obschon die untersuchte Waldfläche mit etwa 0,3 ha relativ klein ist, finden sich anhand eines Vergleiches zweier flächengleicher Teilbereiche mit ähnlicher Stammzahl bzw. Durchmesserverteilung interessante Zusammenhänge zw. der räumlichen Verteilung der Stämme bzw. Stammdurchmesser und der Schadenparameter. Derjenige Teilbereich mit einer um 8 m (Steindurchmesser: 8 cm) grösseren Mittleren Baumfreien Strecke MBS (Gsteiger 1989) zeigt sowohl grössere Schadenzahlen, grössere mittlere Schadenhöhen am Stamm wie auch grössere Maximalschadendurchmesser. Die Differenz in der Schadenzahl pro Baum beträgt im Mittel 3 Schäden, diejenige der mittleren Schadenhöhe rund 10 cm. Diese Unterschiede dürften auf die höhere Bewegungsenergie der stürzenden Steine im Bereich grösserer MBS zurückzuführen sein. Solche Komponenten springen nicht nur höher, sondern vermögen auch mehr und grössere Schäden anzurichten. Zudem zeigt der Bereich mit kleinerer Schadenzahl eine mittlere radiale Lage der Schäden am Stamm, die bis zu 20° von der mittleren Falllinie des Hanges abweicht. So kann vermutet werden, die Stein würden hier seitlich stärker abgelenkt und durchquerten somit nicht den ganzen Bereich. Obgleich die Bestockung flächendeckend stark steinschlaggeschädigt und daher dem Transitbereich zuzuschreiben ist, werden aufgrund der räumlichen Analysen erste Vermutungen zur Wirkung des Bestandes gegen Steinschlag aufgestellt. In unmittelbarer Wandnähe, wo eine große Steinschlaghäufigkeit und hohe Bewegungsenergien herrschen, scheint nur das Baumholz dem hohen Schädigungsgrad der Stämme zu trotzen. Hingegen zeigen Bereiche mit gleichmässig verteilten oder hangparallel heckenartig angeordneten, dünnen Stämmen (Dickung bis Stangenholz) für die am Schwarzenberg häufigen Steinschlagkomponenten von ca. 10 cm Durchmesser eine höhere Bremswirkung, da die Schadenzahl unterhalb der Dickungen drastisch abnimmt. Solche Bereiche sind jedoch durch stärkere Stämme oberhalb abgeschirmt, die wahrscheinlich bereits einen Teil der Bewegungsenergie der stürzenden Steine vernichten. Hieraus kann abgeleitet werden, dass für einen Wald wie der am Schwarzenberg eine gradierte Abnahme der Stammdurchmesser und gegenläufig eine Zunahme der Baumdichte mit zunehmender Distanz von der Felswand womöglich die größte Bremswirkung auf Steinschlag ausübt: Die Zunahme der Baumkontakte vermindert die Geschwindigkeit und damit auch das Schädigungspotential der Komponenten, wobei für deren stabile Ablagerung lokale Verflachungen (sog. Fallböden) vorteilhaft sein dürften. Differenziertere Aussagen bez. der Wirkung der untersuchten Bestockung gegen Steinschlag werden letztlich erst durch die Untersuchung der Veränderungen des Baumbestandes und der Steinschlagwunden während des Zeitraums des ROCKFOR-Projektes (2001-2003) erzielt werden können, wofür diese Diplomarbeit den Grundstein legen konnte.