Wissenschaft lebt von Problemen; insbesondere ist der wissenschaftliche Fortschritt auf die klare Formulierung ungelöster Probleme angewiesen. Dies wird allgemein anerkannt: Die richtigen Fragen zu stellen, gilt als ein bewundernswerte Kunst, und Problemsammlungen werden beachtet und gerühmt. Die Mathematik bietet dazu einige leuchtende Beispiele. Leider machen wir von dieser Einsicht viel zu wenig Gebrauch. In der Lehre werden wir ihr weder an der Schule noch an der Hochschule gerecht; aber auch in der Forschung wird sie kaum befolgt. Die Gründe dafür lassen sich angeben: Ungelöste Probleme zu formulieren, ist nicht überlich; es ist auch nicht einfach; man könnte sich blamieren; ander könnten davon profitieren; Problemsammlungen können veralten; und man sollte die Probleme auch noch einordnen können - nach Geschichte, Bedeutung, Schwierigkeit. Aber die Situation ist auch nicht hoffnungslos. wir müssen eben unsere Einstellung ändern: Wir sollten nicht nur die gelösten, sondern auch die ungelösten Probleme beachten und würdigen lernen. Wir brauchen ein Problem-Kultur: Problem-Heuristik, Problem-Pflege, Problem-Osmose, Problem-Bewertung. Auch zur Schwierigkeit und zur Lösbarkeit ungelöster Probleme läßt sich einiges sagen. Nachweislich unlösbare Probleme verdienen dabei natürlich - schon aus Gründen der Arbeitsökonomie - besondere Aufmerksamkeit. Eine Gesellschaft, die am Erkenntnisfortschritt interessiert, ja auf ihn angewiesen ist, sollte diese Potentiale mehr nützen. Hier liegt eine wichtige Aufgabe für Wissenschaftler, Buchautoren, Journalisten, Didaktiker, Wissenschaftsphilosophen. Eine gemeinsame Aufgabe.