Standardsignatur
Titel
Vererbung und Entwicklung
Verfasser
Erscheinungsort
Wien
Verlag
Perles
Erscheinungsjahr
1899
Seiten
391 S.
Material
Bandaufführung
Datensatznummer
124253
Quelle
Allgemeine Biologie ; 2. Band, 391 S.
Abstract
Am Schlusse dieser Ausführungen will ich es versuchen, die Resultate in übersichtlicher Weise zusammenzufassen. 1. Die Vererbungssubstanz der einzelligen Organismen sitzt im Protoplasma ihrer Kerne, welches wie jeder andere Protoplasma auf dem Wege der Assimilation, also durch Bildung identischer oder geringfügig abgeänderter Protoplasmamoleküle unter dem Einflusse der bereits vorhandenen heranwächst und sich bei der Zell- und Kernteilung auf jedes neue Individuum überträgt. 2. Das Kernprotoplasma bezieht seine Nahrung nicht direkt von außen, sondern es wächst auf Kosten der Zerfallsprodukte der umgebenden somatischen Protoplasmen und ist dadurch in der Lage, charakteristische Atomanordnungen, welche in den Molekülen der somatischen Protoplasmen enthalten sind, seinen eigenen Molekülen einzuverleiben. 3. Da nach unserer Vorstellung vom Mechanismus des Protoplasmawachstums auch das wachsende Kernprotoplasma während seines Wachstums fortwährend in einzelnen seiner Teile zerfallen muss und bei diesem Zerfalle ebenfalls assimilierbare Zerfallsprodukte abscheidet, so können die heranwachsenden Somatoplasmen auch wieder charakteristische oder spezifische Atomanordnungen der in den Kernen enthaltenen Vererbungssubstanz in ihre neugebildeten Moleküle aufnehmen. Dadurch ist aber die theoretische Möglichkeit gegeben, dass bei der Zellteilung oder bei der Regeneration künstlich abgetrennter Teile des Zellleibes auch solche Differenzierungen des letzteren wieder herausgebildet werden, welche nach der Teilung oder Vivisection in den zurückbleibenden somatischen Anteilen des Organismus als solche nicht mehr vertreten waren. 4. Jede äußere Einwirkung auf das Somatoplasma, welche einen Zerfall seiner labilen Moleküle herbeiführt, kann Anlass geben zu einer neuen Gruppierung der Atome in den Zerfallsprodukten dieser Moleküle; und wenn nun die Zerfallsprodukte, welche diese neue Atomanordnung enthalten, in demselben Protoplasma wieder assimiliert werden und diese neuartigen Protoplasmamoleküle sich durch Assimilation vermehren, wird endlich das in dieser Weise abgeänderte Somatoplasma auch ohne jene ursprüngliche Einwirkung in derselben Weise zerfallen und dabei dieselben formativen und funktionellen Eigenschaften entfalten können, als ob es durch jene ursprüngliche Einwirkung gespalten worden wäre. So kann also eine somatische Abänderung zunächst in dem Soma des betreffenden Organismus fixiert werden. Nun können aber die Zerfallsprodukte dieser abgeänderten Protoplasmamoleküle des Zellleibes mit ihrer neunen Atomgruppierung auch im heranwachsenden Kernprotoplasma Verwendung finden, es wird also die neue Gruppe zu einem integrierenden Teile der Erbmasse selbst, und wenn sich nun die Sprösslinge dieses einzelligen Organismus unter dem Einfluss dieses abgeänderten Kernplasmas herausbilden, indem sie nun ihrerseits wieder Zerfallsprodukte des letzteren assimilieren, so wird dabei die neue funktionelle oder formative Abänderung ebenfalls wieder zur Geltung gelangen können, und es hat daher auf diesem Wege eine Vererbung einer erworbenen Eigenschaft stattgefunden.